Vor rund 10 Jahren habe ich den Schritt gewagt und mich vollständig von den Diensten des Meta-Konzerns, also Facebook, Instagram, WhatsApp und Co., gelöst. Ich ahnte damals nicht, welche Veränderungen dieser Schritt mit sich bringen würde. Es hat etwas gedauert, doch heute wage ich zu behaupten, dass mir dieser Schritt psychisch sehr gut getan hat. Ich kann mich wieder mehr über kleine Erfolge freuen, schätze Kleinigkeiten im Alltag und fühle mich insgesamt ausgeglichener.

Jedoch hat diese Entscheidung auch ihre Schattenseiten. Der Kontakt zu vielen lieben Menschen wurde schwieriger, weil fast alle gewohnt sind, nur über diese Plattformen zu kommunizieren. Dadurch ist es für mich oft nicht leicht, in manchen Kreisen integriert zu bleiben oder nicht unabsichtlich vergessen zu werden.

Trotzdem bin ich überzeugt, dass es für mich insgesamt die richtige Entscheidung war. In diesem Artikel möchte ich einige Fakten und Studien zusammentragen, die zeigen, welchen Preis wir für die scheinbare "Vernetzung" zahlen, und warum es sich lohnt, das kritisch zu hinterfragen.

Uniformierung durch verzerrten Wettbewerb

Soziale Medien zeigen uns nicht einfach eine neutrale Auswahl an Inhalten. Der Feed wird durch Algorithmen generiert, welche unter anderem darauf ausgelegt sind, Beiträge hervorzuheben, die besonders viele Reaktionen erzeugen. Was viele Menschen anzieht, wird damit automatisch noch sichtbarer gemacht. Dadurch entsteht ein sich selbst fütternder Kreislauf: Beliebte Inhalte werden weiter gepusht, während andere unsichtbar bleiben. In der Systemdynamik werden solche sich selbst verstärkenden Prozesse mit Positiver Rückkopplung oder in Englisch positive feedback loop bezeichnet. Die Folge ist eine zunehmende Gleichförmigkeit. Vielfalt tritt in den Hintergrund. Stattdessen dominieren Trends und Hypes, die von immer mehr Nutzerinnen und Nutzern aufgegriffen werden. Das Bild, das uns präsentiert wird, wirkt dadurch verzerrt und spiegelt nicht die ganze Breite an Inhalt und Möglichkeiten wieder.

Filterblasen und selbstbestätigende Inhalte

Es fühlt sich gut an, wenn man Inhalte sieht, welche einem in seiner eigenen Meinung bestätigen. Der Algorithmus lernt mit der Zeit, welche Inhalte einem gefallen, und zeigt immer mehr davon an. Das Ziel ist, dass wir Inhalte konsumieren und uns zu Interaktion zu bewegen. So verwandelt sich mit der Zeit der eigene Feed zu einer so genannten Filterblase. Man bekommt fast nur noch Dinge zu sehen, die zur eigenen Weltsicht passen und einem in seiner Meinung bestätigen. Was ausserhalb dieser Blase geschieht, dringt kaum noch zu uns durch. Die Vielfalt der Perspektiven geht verloren. Stattdessen bewegt man sich in einer Bubble, welche die eigene Sichtweise bestätigt und andere Stimmen an den Rand drängt. Unabhängige Meinungsbildung vielfältige Berichterstattung sind damit nicht mehr möglich, was in einer Demokratie jedoch unabdingbar ist.

Klebriges UI-Design

Die allermeisten Dienste bei Soziale Medien sind werbefinanziert. Das bedeutet: Je länger wir dort unterwegs sind, desto mehr Werbung konsumieren wir und desto mehr Geld verdient die Plattform. Deshalb sind die Apps und deren grafische Oberflächen (UI) gezielt so gestaltet, dass wir möglichst oft zurückkehren und uns nur schwer davon lösen können.
Endlos-Scrollen (Doom-Scrolling), Benachrichtigungen oder das Bedürfnis nachzuschauen, wie viele Likes und Kommentare ein eigener Beitrag bekommen hat. Das sind bewusst eingesetzte Mechanismen, die uns an den Bildschirm fesseln sollen. Was wie harmlose Funktionen wirkt, nutzt in Wirklichkeit psychologische Tricks, die Abhängigkeiten schaffen und uns immer wieder aufs Neue in die App ziehen. Bei vielen, vor allem jungen Menschen ist ein süchtiges Verhaltensmuster gegenüber diesen Apps beobachtbar.

Selbstkritik durch ständigen Vergleich

Wer in sozialen Medien Inhalte teilt, zeigt oft nur die Sonnenseite des Lebens. Es macht uns Spass schöne Momente und Erfolge mit unseren Freunden zu teilen. Die Dienste helfen uns mit Filtern, Vorlagen oder KI-Tools die Beiträge schnell und einfach auf Hochglanz zu polieren. Der temporäre Pikel neben der Nase will ich jetzt nicht mit der ganzen Welt teilen.
Beim Konsumieren dieser Inhalte werden wir nun mit solchen idealisierten Inhalten geflutet. Wir vergleichen sie unbewusst mit unserem eigenen Alltag. Obwohl wir wissen, dass vieles inszeniert und überhöht ist, entsteht ein Gefühl von Unzufriedenheit. Man beginnt, sich an unerreichbaren Idealen zu messen. Das kann Stress und Selbstzweifel verstärken. Oft auch ohne, dass man dies direkt bemerkt.

Über die letzten Jahren habe ich viele Berichte über die negativen Auswirkungen von Social Media gelesen und gehört. Einige habe ich unterhalb aufgelistet. Dabei glaube ich nicht, dass hinter allem bewusste Bosheit der Konzerne oder einzelnen Menschen steckt. Vielmehr ist es ein Zusammenspiel: Auf der einen Seite steht ein Wirtschaftssystem, das Erfolg vor allem in Form von Rendite und Wachstum misst. Auf der anderen Seite unser menschliches Bedürfnis, uns mitzuteilen und schöne Momente zu teilen. In Verbindung mit den Möglichkeiten moderner Algorithmen und Datenanalysen entsteht daraus ein System, das toxisch ist.
Für mich gibt es nur zwei Wege, diesem Kreislauf zu entkommen: Ganz auf Social Media zu verzichten, oder auf dezentrale, föderierte Alternativen, genannt zu setzen. Dort gibt es keine zentrale Macht, die unsere Kommunikation steuert oder für ihre eigenen Zwecke (miss)brauchen kann.

Dezentrale, föderierte Dienste

Im Gegensatz zu den zentralistischen Plattformen gibt es auch Dienste, die nicht zentral von einer einzigen Firma betrieben werden. Sie basieren auf dezentralen, föderierten Strukturen: Verschiedene Anbieter stellen Infrastruktur und Apps bereit, um diesen Dienst zu nutzen. Man kann somit den Anbieter frei wählen, bei wem man den Dienst beziehen möchte. Wenn man unzufrieden ist, lässt sich der Anbieter wechseln, ohne den Dienst selbst aufgeben zu müssen.
Bekannte Beispiele dafür sind eigentlich alltäglich: E-Mail, SMS oder das Internet selbst funktionieren genau so. Auch im Bereich Social Media gibt es solche Dienste. Das grösste Netzwerk dieser Art ist Mastodon, das zum sogenannten Fediverse gehört. In gewisser Weise kann man auch Bluesky dazu zählen, allerdings ist es (noch) nicht vollständig föderiert.


Interessante Quellen

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